Bezahlbaren Wohnraum schaffen in Schortens –
Chancen und Risiken einer eigenen Wohnungsbaugesellschaft
In vielen deutschen Städten ist bezahlbarer Wohnraum zu einem knappen Gut geworden – auch wir als Stadt Schortens mit rund 21.500 Einwohnern stehen zunehmend unter Druck. Steigende Mieten, wachsende Nachfrage nach Wohnungen durch demografische Entwicklungen und der allgemeine Trend zur Urbanisierung lassen die Rufe nach mehr kommunalem Engagement im Wohnungsbau lauter werden. Unser seit dem Jahr 2020 existierendes und laufend fortgeschriebenes Wohnraumversorgungskonzept sieht derzeit einen Bedarf von ca. 130 zusätzlichen Wohnungen. Diese lassen sich nicht in den nächsten 4 Jahren allein von der beim Landkreis angesiedelten Wohnungsbaugesellschaft Friesland schaffen. Auch der private Wohnungsmarkt wird dabei im Segment bezahlbarer Wohnungen keine Hilfe sein. Eine mögliche Lösung, die bereits in vielen Städten praktiziert wird, ist die Gründung einer eigenen kommunalen Wohnungsbaugesellschaft. Doch was sind die konkreten Vorteile einer solchen Maßnahme für eine Stadt wie Schortens – und welche Risiken und Herausforderungen gilt es zu beachten?
Unsere Ausgangslage in Schortens
Schortens mit seiner Nähe zur Nordsee, verfügt über eine gute Infrastruktur, Schulen, Kindergärten, Einkaufsmöglichkeiten sowie Bahnanschluss und ist damit für viele Menschen ein attraktiver Wohnort. Dennoch spüren auch wir den Wandel am Wohnungsmarkt. Der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum für Familien, Alleinerziehende, Senioren oder Geringverdienende wächst – nicht zuletzt auch durch Zuzug aus dem Umland oder durch die veränderten Lebensverhältnisse vieler Menschen. Private Investoren konzentrieren sich häufig auf renditestarke Projekte, wodurch preiswerte Mietwohnungen oft zu kurz kommen.
Was ist eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft?
Eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft ist ein von der Stadt gegründetes und kontrolliertes Unternehmen, das Wohnungen plant, baut, vermietet und verwaltet – mit dem vorrangigen Ziel, die Wohnversorgung der Bevölkerung sicherzustellen, nicht aber der Gewinnerzielung. Häufig wird eine solche Gesellschaft als GmbH oder Anstalt des öffentlichen Rechts organisiert. Kommunale Wohnungsbaugesellschaften können eigenständig wirtschaften, unterliegen aber der kommunalen Kontrolle und verfolgen gemeinwohlorientierte Ziele. Über mögliche Rechtsformen werden wir in den nächsten Wochen in unseren Ratsgremien beraten.
Vorteile einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft für Schortens
Direkte Steuerungsmöglichkeit durch die Stadt
Ein zentraler Vorteil liegt in der direkten Einflussnahme der Stadt auf das Wohnungsangebot. Die Kommune entscheidet selbst, wo gebaut wird, wie groß die Wohnungen sind, welche Zielgruppen im Fokus stehen und wie hoch die Mieten ausfallen. So kann Schortens gezielt auf lokale Bedürfnisse reagieren – etwa den Bedarf an barrierefreiem Wohnen für Senioren oder günstigen Mietwohnungen für Auszubildende.
Soziale Verantwortung statt Profitmaximierung
Anders als private Investoren ist eine kommunale Gesellschaft nicht auf maximale Rendite angewiesen. Sie kann langfristig orientiert handeln, moderate Mieten ansetzen und gleichzeitig eine hohe Wohnqualität bieten. Das schafft Stabilität auf dem lokalen Wohnungsmarkt und wirkt preisdämpfend auf das Gesamtangebot.
Wirtschaftliche Wertschöpfung vor Ort
Durch eigene Bauprojekte und Verwaltung entstehen Arbeitsplätze und Aufträge für lokale Unternehmen. Die Wertschöpfung bleibt in der Region. Zudem fließen mögliche Überschüsse zurück in den städtischen Haushalt oder werden reinvestiert.
Langfristiger Vermögensaufbau
Mit dem Erwerb bzw. Verbleib von Grundstücken in städtischem Besitz und dem Bau von Wohnungen darauf schafft sich die Stadt ein dauerhaftes Vermögen. Immobilienwerte steigen in der Regel langfristig, was finanzielle Spielräume eröffnet. Gleichzeitig sichern die Mieteinnahmen eine verlässliche Einnahmequelle.
Nachhaltige Stadtentwicklung
Die kommunale Gesellschaft kann städtebauliche Ziele umsetzen, etwa die Aufwertung bestimmter Ortsteile, die Förderung von Durchmischung oder die Schaffung von Quartieren mit sozialer Infrastruktur. Sie kann ökologisch nachhaltige Projekte realisieren und Standards setzen, etwa bei Energieeffizienz oder barrierefreiem Bauen.
Krisenfeste Wohnraumbewirtschaftung
In Krisenzeiten – etwa bei wirtschaftlichen Einbrüchen oder Flüchtlingszuzug – kann eine städtische Wohnungsbaugesellschaft flexibel reagieren und Wohnungen bereitstellen, ohne auf Marktentwicklungen oder Investoren warten zu müssen.
Risiken und Herausforderungen einer Gründung
Trotz dieser vielen Vorteile ist die Gründung und Führung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft kein Selbstläufer. Sie ist mit organisatorischen, finanziellen und politischen Risiken verbunden:
Hoher finanzieller Aufwand
Die Gründung, der Bau und die Instandhaltung von Wohnraum erfordern erhebliche finanzielle Mittel. Ohne ausreichende Rücklagen oder Fördermittel kann die Belastung für den städtischen Haushalt hoch werden. Auch bei niedrigen Mieten müssen Kosten wie Instandhaltung, Verwaltung und Finanzierung gedeckt werden. Gerade kleinere Städte wie unsere müssen hier vorsichtig kalkulieren und klug haushalten.
Wirtschaftliches Risiko
Wie jedes Unternehmen unterliegt auch eine Wohnungsbaugesellschaft wirtschaftlichen Schwankungen. Mieterfluktuation, Leerstand, Baukostensteigerungen oder Finanzierungsschwierigkeiten können zu Verlusten führen. Fehler in der Geschäftsführung oder Fehlinvestitionen können gravierende Folgen haben.
Fachkräftemangel und Know-how
Der Aufbau und Betrieb einer solchen Gesellschaft erfordert fachlich qualifiziertes Personal in den Bereichen Bauplanung, Wohnungswirtschaft, Finanzen und Verwaltung. Gerade im kommunalen Bereich ist es schwierig, erfahrene Fachkräfte zu gewinnen und dauerhaft zu binden.
Politische Einflussnahme
Obwohl politische Steuerung erwünscht ist, besteht die Gefahr der parteipolitischen Vereinnahmung. Entscheidungen könnten aus kurzfristigem Kalkül oder Wahltaktik getroffen werden, was zu Fehlentwicklungen führen kann. Es bedarf klarer Regeln und Strukturen sowie Transparenz, um Vertrauen zu sichern.
Langfristige Amortisation
Wohnungsbau ist ein langfristiges Geschäft. Es kann dauern, bis erste Projekte realisiert, bezogen und wirtschaftlich erfolgreich sind. Gerade zu Beginn müssen Kommunen Geduld aufbringen und politisch Rückendeckung geben, auch wenn zunächst keine Erträge sichtbar sind.
Wettbewerb mit der Wohnungsbaugesellschaft Friesland
Die Gründung einer eigenen städtischen Wohnungsbaugesellschaft kann seitens des Landkreises und seiner Wohnungsbaugesellschaft Friesland durchaus kritisch gesehen werden, soweit sie sich durch diese zusätzliche kommunale Konkurrenz beeinträchtigt fühlen. Hier gilt es, ein partnerschaftliches Verhältnis zu pflegen und sich als Ergänzung, nicht als Ersatz zu verstehen, denn dafür ist die Aufgabe viel zu herausfordernd.
Erfolgsfaktoren für Schortens
Für eine Stadt wie unsere könnte eine eigene Wohnungsbaugesellschaft ein wirksames Instrument sein, um neben der Wohnungsbaugesellschaft Friesland günstigen Wohnraum gezielt zu fördern. Der Erfolg hängt jedoch maßgeblich von einigen Faktoren ab:
- Strategische Planung: Eine fundierte Bedarfsanalyse, ein realistischer Geschäftsplan und klare Zielsetzungen sind entscheidend.
- Finanzielle Ausstattung: Fördermittel, zinsgünstige Kredite (z. B. von der KfW), EU-Gelder und Partnerschaften mit Genossenschaften oder Stiftungen können die Finanzierung sichern.
- Kooperationen: Zusammenarbeit mit anderen kommunalen und privaten Trägern oder sozialen Einrichtungen kann Ressourcen bündeln.
- Transparenz und Beteiligung: Die Bürger sollten frühzeitig informiert und in die Planung einbezogen werden – das erhöht die Akzeptanz.
- Langfristige Perspektive: Die Stadt sollte sich bewusst sein, dass sich Erfolge erst mit der Zeit einstellen – dann aber umso nachhaltiger wirken.
Fazit
Die Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft in Schortens ist für unsere Mehrheitsgruppe aus CDU und GRÜNEN ein vielversprechender Weg, um der wachsenden Herausforderung des bezahlbaren Wohnraums aktiv zu begegnen. Sie bietet uns die Möglichkeit, sozialen Ausgleich zu schaffen, Stadtentwicklung aktiv zu gestalten und Vermögen aufzubauen. Gleichzeitig erfordert sie finanzielle Disziplin, langfristiges Denken und professionelle Führung. Hierzu werden wir in den nächsten Wochen den Diskurs in unserer Stadt gemeinsam mit der Verwaltung in den politischen Gremien führen und wenn möglich noch im Sommer dazu die notwendigen Entscheidungen treffen.
Wenn wir die Herausforderungen beherzt angehen und die Wohnungsbaugesellschaft klug positionieren, könnte sie die zukünftige Wohnsituation vieler Bürger verbessern. Die Zeit für mutige kommunale Wohnpolitik ist jetzt. Wir Grünen stehen voll dahinter.